top of page

„Wir wollen World-Tour-Status“

Seit 2010 leitet Vera Hohlfeld die Geschicke der Internationalen Thüringen-Rundfahrt der Frauen, die seit einigen Jahren als LOTTO Thüringen Ladies Tour läuft. Die 51-jährige Erfurterin war selbst erfolgreiche Profi-Radsportlerin und vertrat den Bund Deutscher Radfahrer 1996 bei den Olympischen Spielen in Atlanta (Platz vier). Im Interview mit dem Magazin Rennrad (Ausgabe 5/23) spricht Hohlfeld über den Frauen-Radsport und der Stand der Vorbereitungen für 2023.


Vera Hohlfeld, vom 23. bis 28. Mai geht die LOTTO Thüringen Ladies Tour in die 35. Auflage. Im vergangenen Sommer hatten Sie Alarm geschlagen und den Fortbestand der Thüringen-Rundfahrt ernsthaft in Gefahr gesehen. Wo steht die LTLT knapp ein Jahr später?


Vera Hohlfeld: Unsere Rundfahrt ist in Deutschland nach wie vor einzigartig und ein Vorreiter für den Frauen-Radsport. Wir haben in den vergangenen Monaten einige wichtige Schritte machen können, sind aber aus meiner Sicht noch nicht über den Berg.


Im Vorjahr wurde der Start der Deutschland-Tour mit erheblichem finanziellen Aufwand nach Thüringen geholt, in diesem Jahr unterstützt der Freistaat mit 200.000 Euro die LOTTO Thüringen Ladies Tour. Ist das einer dieser Schritte?


Ja. Wir freuen uns außerordentlich und sind zugleich stolz über die Zusage des Freistaates Thüringen, unsere Rundfahrt in diesem Jahr finanziell stärker als bisher zu fördern. Wir sehen in der Unterstützung auch eine große Wertschätzung für die über viele Jahre überwiegend ehrenamtlich geleistete Arbeit unserer zahlreichen freiwilligen Helferinnen und Helfer, die die Thüringen-Rundfahrt so unverwechselbar und zu einem Aushängeschild des Radsports in Thüringen und Deutschland gemacht haben. Wir werden die Mittel gezielt für die Ausstattung des Rennens einsetzen, sehen aber auch die dringende Notwendigkeit, uns im stetig wachsenden Profi-Radsport der Frauen auch zukünftig eine wichtige Rolle spielen zu können. Themen sind Personal, Sicherheit, Equipment oder TV-Präsenz.


Bei der TV-Präsenz gibt es deutliche Fortschritte, oder?


Ja. Wir hatten im vergangenen Jahr erstmals jeden Tag pünktlich zum Etappenfinale Live-Berichterstattung im linearen Fernseh-Programm des Mitteldeutschen Rundfunkts. Diese Partnerschaft setzen wir fort. Die TV-Quoten waren sehr ansprechend, daran wollen wir anknüpfen und tun von unserer Seite alles, um professionelle Bilder zur Verfügung zu stellen und haben unseren Vertrag mit der Produktionsfirma aus Belgien verlängert. Dazu kommen die digitalen Ausspielkanäle im Internet. Wir freuen uns sehr, dass die LOTTO Thüringen Ladies Tour in diesem Jahr als Live-Stream auf sportschau.de abrufbar sein wird.



Ein zentrales Thema ist der Status der Rundfahrt. In den vergangenen Jahren gehörte die LTLT zur Women’s Proseries des Weltverbandes UCI, der Sprung in die attraktivere World Tour gelang bisher nicht. Wie ist der Stand?


Uns wird schon länger von den Sportlerinnen und Mannschaften immer wieder bescheinigt, eine Veranstaltung auf World-Tour-Niveau zu organisieren. Nur auf dem Papier haben wir den Status nicht – wollen da aber weiterhin hin. Ohne diesen Status ist leider die Teilnahme der besten Sportlerinnen nicht gewährleistet. In diesem Jahr haben wir es aber auch ohne World-Tour-Status geschafft, wieder mehr Mannschaften für uns zu begeistern – trotz des parallel laufenden World-Tour-Rennens „Ride London“. Da ist sehr schöner Erfolg.


Wer kommt in diesem Jahr?


Aus den Niederlanden kommt das Team SD Worx. Die hat das UCI World-Tour-Ranking in den vergangenen sieben Jahren sechsmal auf den ersten Platz abgeschlossen. Mit dem Team Jayco AIUla aus Australien, dem UAE Team aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, dem Team Fenix-Deceuninck aus Belgien und dem deutschen Team CANYON SRAM Racing aus Leipzig haben vier weitere internationale Top-Mannschaften ihre Teilnahme angekündigt. Natürlich sind auch die deutschen Mannschaften Ceratizit WNT Pro Cycling und die Erfurter Mannschaft MAXX SOLAR ROSE Women mit dabei. Wir freuen uns sehr über die Resonanz und sehen darin eine Wertschätzung für unsere Rundfahrt und die Arbeit, die hier in Thüringen für den Frauen-Radsport geleistet wird.


Die Rundfahrt beginnt am 23. Mai in Schleiz und führt über ca. 600 Kilometer über Gera (24. Mai), Schmölln (25. Mai), Gotha (26. Mai) und Schmalkalden (27. Mai) zum Zielort Mühlhausen (28. Mai). Was zeichnet die Strecke aus?


Ich denke, uns ist es erneut gelungen, eine attraktive und sportlich selektive Strecke für die besten Radsportlerinnen der Welt zu kreieren und zugleich die Vielfalt und landschaftliche Schönheit des Freistaates Thüringen in unserer Rundfahrt zu vereinen. Alle Städte haben von Beginn an unsere Gespräche großartig unterstützt und helfen uns dabei, dem boomenden Frauen-Radsport wieder eine große Bühne zu bieten. Ein besonderes Highlight haben wir gleich zum Auftakt: ein Mannschaftszeitfahren. Das wollten wir unbedingt. Mannschaftszeitfahren sind aufgrund der hohen gefahrenen Geschwindigkeiten spektakulär – die Zuschauer dürfen sich also freuen. Für die Mannschaften ist es eine nur noch selten gefahrene Herausforderung. Und dank des Sonderreglements verhindern wir eine frühzeitige Entscheidung im Kampf um den Gesamtsieg.


Schlussfrage. Wo sehen Sie den Frauen-Radsport generell?


Frauen holen in allen gesellschaftlichen Bereichen auf, das brauchen wir auch im Radsport. Das vermisse ich noch in Deutschland. Da sind wir im Vergleich zu anderen europäischen Ländern hinterher. Wir brauchen mehr Sponsoren, mehr Zuschauer oder Medienaufmerksamkeit. Ich vergleiche es immer mit dem Fußball. Da sind die Frauen auch vorangekommen, aber noch lange nicht auf dem Niveau der Männer.


Bild: Tour-Direktorin Vera Hohlfeld. Foto: T.RF Sportmarketing GmbH/Arne Mill


144 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen
bottom of page